1784: Begräbnis 2.0
1784 reformierte Joseph II. die Begräbnisordnung. Mehrere gute Gründe gab es dafür. Doch die Bevölkerung war nicht ganz begeistert vom Sparprogramm, das ihnen die "schöne Leich" und die "Pompfüneberer" nehmen wollte.
>Denn vor etwa 200 Jahren wäre das wohl kaum jemandem eingefallen. Trotz aller Begeisterung der Wiener für den Tod und die "schöne Leich" ging man zur Erholung in den Prater, den Augarten oder den für das Volk geöffneten Schönbrunner Schlosspark. Die Friedhöfe dürften Orte gewesen sein, die es eher zu meiden galt.
So heißt es dann auch in einem Hofdekret vom Dezember 1785: „Da an vielen Orten noch immer der Mißbrauch besteht, daß die Verstorbenen neben ihren Anverwandten, und nicht in raummässiger Ordnung auf den Freidhöfen begraben werden, und dadurch geschieht, daß öfters halbverwesene Körper aufgegraben, und dadurch der menschlichen Gesundheit schädliche Ausdünstungen sich verbreiten […]“ Groß war die Angst vor den „Miasmen“, eben jenen schädlichen Ausdünstungen auf den Friedhöfen.
Auf den Begräbnisstätten herrschte Wildwuchs. Man ließ sich bestatten, wo man sich in guter Gesellschaft wähnte – neben den Verwandten, auch wenn dort nicht mehr unbedingt ein freier Platz zu finden war.
Dem musste Einhalt geboten werden. Joseph II., bekannt als der Sparkaiser schlechthin, erließ im Sommer 1784 neue Begräbnisverordnungen. Die Friedhöfe wurden allesamt aus der Stadt verbannt, aber selbst dort durfte man sich nicht mehr überall „einfach so“ begraben lassen. Außerdem war die Verwendung von eigenen Särgen ab nun verboten. Stattdessen hatte jede Gemeinde eine „angemessene Anzahl gutgemachter Todtentruhen von verschiedener Grösse“ bereitzustellen, die bei einem Todesfall verborgt werden konnten. In diesen Leihsärgen wurde der Leichnam zum Friedhof gebracht und dort in das ausgehobene Grab gelegt. Anschließend musste der Sarg aber wieder zurückgebracht werden, damit der nächste Verstorbene ihn benutzen konnte. Die Toten durften nur in einen Leinensack gehüllt werden, selbst Kleidung war unter den neuen Vorschriften verboten. Wer auf den eigenen Sarg bestand, durfte ihn für den Leichenzug verwenden, musste ihn danach aber wieder mit nach Hause nehmen.
Nicht nur sollten die Leichen dadurch schneller verwesen und sich die Friedhöfe dementsprechend langsamer füllen, auch Ressourcen konnten damit gespart werden. Das war wichtig in einer Zeit der Holzknappheit.
Eine besondere Version eines Leihsarges ist der sogenannte Josephinische Klappsarg, der – ganz wie der Name es verspricht – mit einer Klappe im Boden ausgestattet war. Der Sarg konnte über das leere Grab gestellt werden, man zog an einem Hebel, die Klappe öffnete sich und der Leichnam fiel ins Grab. Ein solcher Sarg ist heute übrigens im Bestattungsmuseum am Zentralfriedhof zu besichtigen.
Dass Josephs Verordnungen bei den Wienern nicht auf viel Gegenliebe stoßen würde, war schnell klar. So heißt es schon im Winter 1784: „Sollte sich aus Gelegenheit der neuen Beerdigungsart ein Tumult, Auflauf oder eine gewaltthätige Widersetzung ereignen…“
Schließlich war es Anfang 1785 soweit, dass Joseph II. klein beigeben musste. Zu eindeutig war der Widerstand der Bevölkerung. So schrieb der Kaiser verbittert, er hätte ja versucht, die Menschen von den vernünftigen Ursachen seiner Verordnung zu überzeugen, scheinbar wären aber „die Begriffe der Lebendigen leider noch so materiell […], dass sie einen unendlichen Preis darauf setzen, dass ihre Körper nach dem Tode langsamer faulen und länger ein stinkendes Aas bleiben.“
Damit war sie dann auch schon wieder zu Ende, die kurze Geschichte der Klappsärge.
Quellen:
Joseph Kropatschek (Hg.), Handbuch aller unter der Regierung des Kaisers Joseph des II. für die K. K. Erbländer ergangenen Verordnungen und Gesetze in einer Sistematischen Verbindung, 18 Bde. Wien 1785-1790.
Linus Hüsser, Der Herznacher „Pestsarg“. Ein Zeuge der josephinischen Reformpolitik. In: Vom Jura zum Schwarzwald 72 (1998), S. 59–62.
Bild:
Bestattungsmuseum Wien.