VERSTECKTE
BEDEUTUNG
Gebildete Besucher und Besucherinnen der Kapuzinergruft im 18. Jahrhundert konnten in der Gruft viel mehr Inhalte entdecken, als wir das im Jahr 2022 wohl tun – außer man kennt die Bedeutung der kleinen, teils versteckten Symbole und hat gute Augen, die diese Symbole im gedämpften Licht der Gruft dann auch entdecken.
Im Barock und Rokoko wurden die Sarkophage mit figürlicher Plastik, Allegorien und Symbolen überladen und sind in ihrem Reichtum und Prunk nicht zu übersehen, aber selbst die frühesten Särge der Gründerin Anna und ihres Mannes, Kaiser Matthias, sind kunstvoll verziert und tragen Bedeutung: So finden sich auf beiden Särgen Kreuzigungsdarstellungen, die vom Wunsch der Auferstehung und tiefem christlichen Glauben erzählen, aber auch der Reichsadler hat seinen Platz, wenn auch versteckt, an den Seitenwänden.
Eine Tochter Leopolds I., Maria Theresia, starb mit nur zwölf Jahren. Ihr Sarg ist an beiden Längsseiten mit Medaillons verziert, die die junge Erzherzogin und den Tod als Skelett zeigen. Auf einem der Medaillons sieht man den Tod, wie er einen kleinen Vogel hält. „Quinta mihi cessit“, „Die Fünfte habe ich mir gefangen“, und tatsächlich war Maria Theresia zwar die achte Tochter ihres Vaters, aber erst die fünfte, die die Geburt überlebte. Der kleine Vogel, angeblich eine Lerche, ist dabei dem alten habsburgischen Wappen entnommen. Darauf zeigen fünf Adler die Besitzungen der Habsburger an: Kärnten, Krain, Österreich ob und unter der Enns und die Windische Mark, und manche werden das Wappen als das heutige Wappen Niederösterreichs erkennen.
Viele Darstellungen auf den Särgen sind christlichen Ursprungs, etwa die Kreuzigungen und die Maria mit den sieben Schwertern, wobei jedes Schwert für einen Schmerz steht, die die Mutter Gottes erleiden musste. Manche Symbole sind nicht so leicht als christlich zu erkennen, wie ein Öllämpchen, das zeigt, dass der hier Bestattete ein Leben im Lichte Gottes führte und besonnen und klug war wie die Jungfrauen, die genug Öl mithatten, um ihre Lampe neu zu befüllen.
Auch der Pelikan, der seine Brust aufreißt, und seine Brut mit seinem Blut besprenkelt, ist ein Zeichen für die Hoffnung auf die Auferstehung: im Physiologus, eines mittelalterlichen Naturgeschichtsbuches, das allegorische Tierbeschreibungen enthält, liest man: Der Pelikan zeichnet sich durch die grosse Liebe zu seinen Jungen aus. Wenn diese aber heranwachsen, so schlagen sie ihre Eltern in's Gesicht, und diese schlagen sie wieder und tödten die dadurch. Dann aber erbarmen sie sich, und am dritten Tage kommt die Mutter, öffnet ihre Seite und lässt ihr Blut auf die todten Jungen träufeln, wodurch sie wieder lebendig werden. So verwarf Gott die Menchheit nach dem Sündenfall und übergab sie dem Tode; aber er erbarmte sich unser wie eine Mutter, da er durch seinen Kreusestod uns mit seinem Blut zum ewigen Leben erweckte. [GkS 1633 f.39v-40]
Ein Symbol, das ganz häufig zu finden ist, ist die in sich verdrehte oder sich selbst in den Schwanz beißende Schlange, die für die Ewigkeit steht. Sie bildet einen Kreis, der keinen Anfang und kein Ende hat.
Dagegen wird den riesigen Adler, auf dessen Schwingen Maria Theresias und Franz Stephans Prunksarkophag ruht und der die Kaiserin und ihren Mann in den Himmel zu Gott trägt, nur jemand entdecken, der zur richtigen Zeit die Taschenlampe zückt...